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Ausbildungsunterhalt: FAQ vom Rechtsanwalt für Eltern
Eltern sind unterhaltsrechtlich grundsätzlich zur Zahlung eines sog. Ausbildungsunterhalts verpflichtet, wenn sich das Kind in Ausbildung bzw. im Studium befindet. Doch müssen Eltern dieser Unterhaltsverpflichtung ohne Wenn und Aber nachkommen? Selbst dann, wenn Eltern merken, dass das Kind die Ausbildung bzw. das Studium nicht mit Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit (Bummelstudium) verfolgt? Oder sind dem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt doch Grenzen gesetzt? Wie lange der Ausbildungsunterhalt zu zahlen ist und unter welchen Voraussetzungen dieser sogar nicht besteht bzw. entfallen kann, erläutern wir als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in Hannover in diesem Beitrag.
1. Was ist Ausbildungsunterhalt?
Der § 1610 Abs. 2 BGB bestimmt, dass Eltern bis zum Abschluss der Berufsausbildung des Kindes unterhaltspflichtig sind. Bis dahin stellt die Ausbildung einen Erwerbshinderungsgrund dar. Das Kind unterliegt somit während seiner Berufsausbildung oder seines Studiums keiner Erwerbsobliegenheit.
Der geschuldete Ausbildungsunterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zum Beruf und erstreckt sich auch auf die Kosten einer Berufsausbildung.
Zu beachten ist auch, dass es sich um eine angemessene Berufsausbildung handeln muss. Diese muss:
- der Begabung und den Fähigkeiten,
- dem Leistungswillen und
- den Neigungen des Kindes am besten entsprechen und
- sich in Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halten.
Wird die Tochter nach der Schule schwanger, gebärt und betreut ihr Kind für 3 Jahre, kann sie danach wieder ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt haben. Ist sie verheiratet, kommt nur Ehegattenunterhalt infrage.
2. Wie wird der Ausbildungsunterhalt berechnet?
Der Bedarf des in Ausbildung befindlichen Kindes bestimmt sich danach, ob es noch bei den Eltern wohnt oder nicht. Und das Kind beim Elternteil, richtet sich der Bedarf nach der entsprechenden Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle. Hat das Kind einen eigenen Haushalt, dann gibt es einen pauschalen Bedarf in Höhe von 860 €. In diesem Bedarf ist ein Betrag für 375 € für Unterkunft enthalten.
Verfügt das Kind während seiner Berufsausbildung bzw. seines Studiums über Einkommen, so wird es auf den Ausbildungsunterhalt angerechnet. Der Ausbildungsunterhalt wird um die Ausbildungsvergütung gekürzt. Die Ausbildungsvergütung ist um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 100,00 EUR zu kürzen.
Auch BAföG-Leistungen sind unterhaltsrelevantes Einkommen des Kindes in Ausbildung und mindern entsprechend den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gegenüber den Eltern. BAföG muss das Kind vorrangig in Anspruch nehmen; auch wenn es nur als BAföG-Darlehen gewährt wird (BGH, Urteil vom 19.06.1985 -IVb ZR 30/84). Es besteht keine Pflicht zur Aufnahme eines Bildungsdarlehens zu finanzieren, wenn der Kredit aufgrund der Verzinsung und andere Rückzahlmodalitäten nicht mit einem BAföG Darlehen vergleichbar ist. Werden vom Kind BAföG-Leistungen nicht in Anspruch genommen, so werden dem Kind fiktive Einkünften in Höhe des möglichen BAföG-Anspruchs zugerechnet. BAföG ist eine vorrangige Leistung.
3. Wie lange gibt es Ausbildungsunterhalt?
Die Verpflichtung der Eltern zur Zahlung des Ausbildungsunterhalts ist nicht grenzenlos. Denn auch das Kind muss sich an bestimmte Regeln halten. Ein hobbymäßig betriebenes Studium bzw. ein Bummelstudium unterfällt nicht der elterlichen Unterhaltspflicht. Grundsätzlich sind gemäß 1618a BGB sowohl die Eltern als auch das Kind zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Beistand verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt dann ausgeschlossen, wenn das Kind die Ausbildung oder das Studium nicht mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgt und diese nicht in angemessener und üblicher Zeit beendet (BGH, Beschluss vom 03.05.2017, XII ZB 415/16).
Insoweit dauert der Ausbildungsunterhalt bis zum Regelabschluss, also etwa bis zur/zum:
- Gesellenprüfung
- Diplom
- Ende der Regelstudienzeit.
In der oben genannten Entscheidung hat der BGH einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verneint, weil die Tochter bei Beginn des Studiums bereits 26 Jahre alt war und ihren Vater zu keinem Zeitpunkt über ihre Studienpläne informiert hatte. Eine Nachfrage des Vaters hat die Tochter unbeantwortet gelassen.
Wegen Studentenunterhalts hat die Rechtsprechung entschieden: das Studium muss in der üblichen Studienzeit absolviert werden. Beim Jurastudium sind entsprechend 10 Semester in Ordnung. Nach 15 Semestern gibt es in keinem Fall mehr ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt.
Eine angemessene Prüfungszeit zählt unterhaltsrechtlich zur Ausbildung. Dabei gelten die Bedingungen des jeweiligen Prüfungsfaches. Unterhalt zur Wiederholung der Prüfung Ist nur im Einzelfall geschuldet.
Verzögerungen bei der Ausbildung können entschuldigt sein bei Krankheit, Auslandsstudium, schwierigen Familienverhältnissen und mangelhaften Ausbildungssystem.
Eine Doktorarbeit (Promotion) wird in der Regel nicht zur Ausbildung, selbst wenn sie in dem Studienfach üblich ist oder das Kind eine akademische Laufbahn anstrebt.
Die Arbeitsplatzsuche nach Ausbildungsabschluss gehört nach den Umständen des Einzelfalls für eine gewisse Zeit noch zum Ausbildungsunterhalt. Das Risiko der Nichtbeschäftigung trägt jedoch das Kind alleine. Nach Studienabschluss muss einen Kind unseres Erachtens gegebenenfalls Arbeitslosengeld II in Anspruch nehmen.
4. Wann schulden Eltern Ausbildungsunterhalt für eine zweite Berufsausbildung?
Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für die 2. Berufsausbildung. Haben nämlich Eltern ihrem Kind eine angemessene Berufsausbildung gewährt und finanziert, so sind sie unterhaltsrechtlich nicht mehr zur Finanzierung einer weiteren bzw. Zweitausbildung verpflichtet (BGH, Urt. v. 17.05.2006, Az. XII ZR 54/04). Es gibt folgende Ausnahmen:
- Kind ist zur ersten Ausbildung gezwungen worden
- Kind ist berufsunfähig hinsichtlich des mit der ersten Ausbildung erlernten Berufs
- Kind ist mit der Ausbildung überfordert
- Kind absolviert Abitur-Lehre-Studium
Bei einer abgeschlossenen Erstausbildung unterliegt das Kind einer Erwerbsobliegenheit, weil es nicht mehr außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das gilt auch bei mangelnder Eignung und Neigung sowie bei fehlender Verdienstmöglichkeit in dem erlernten Beruf.
5. Was gilt bei Ausbildungsunterhalt bei Abitur-Lehre-Studium-Fällen?
Heutzutage gibt es verschiedene Ausbildungswege mit mehreren Ausbildungsabschnitten wie z.B. Abitur-Lehre-Studium bzw. Bachelor-Master oder Realschule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium. Damit stellt sich die Frage, inwieweit Eltern das Kind bei seiner Weiterbildung finanziell unterstützen müssen. Der Ausbildungsunterhalt ist nicht mehr zu zahlen, wenn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten fehlt.
Ein zeitlicher Zusammenhang fehlt:
- bei einer 14-monatigen grundlosen Unterbrechung
- wenn der erlernte Beruf mehrere Jahre ausgeübt wurde, obwohl mit dem Studium hätte begonnen werden können
- wenn einzelne Ausbildungsabschnitte/Gebiete nicht aufeinander bezogen sind bzw. aufeinander aufbauen und es sich um keine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung handelt
Ein sachlicher Zusammenhang und damit Ausbildungsunterhalt ist in der Vergangenheit von der Rechtsprechung abgelehnt worden bei:
- Bürogehilfe – Informatik
- Speditionskaufmann – Jurastudium
- Kaufmann – Medizinstudium
- Industriekaufmann – Maschinenbau
- Sekretärin – Studium der Volkswirtschaft
Ein sachlicher Zusammenhang und damit Ausbildungsunterhalt hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit zugesprochen bei:
- Bankkaufmann – Studium der Betriebswirtschaft
- Bankkaufmann – Jurastudium
- Bauzeichner – Studium der Architektur
- Ausbildung zum Heilpraktiker – Medizinstudium
- Kfz-Mechaniker – Ingenieur
- Ausbildung in der Landwirtschaft – Studium der Agrarwissenschaften
6. Welche Kontrollrechte haben Eltern beim Ausbildungsunterhalt?
Eltern, die ihren Kindern Ausbildungsunterhalt zahlen, stehen Kontrollrechte zu. Von studierenden Kindern können dementsprechend Leistungsnachweise verlangt werden in Gestalt von Scheinen, Zwischenzeugnissen, Zwischenprüfungsergebnissen und sonstigen geeigneten Belegen verlangt werden. Kommt das in Ausbildung befindliche Kind diesem Auskunftsverlangen nicht nach, können die Eltern den Ausbildungsunterhalt zurückbehalten.
7. Welchen Einfluss haben Orientierungsphase, unbezahltes Praktikum, FSJ auf Ausbildungsunterhalt?
Gerade nach dem Schulabschluss kommt es vor, dass das Kind nicht unmittelbar mit seiner Berufsausbildung beginnen möchte. So kann sich das Kind in eine Orientierungsphase begeben, ein unbezahltes Praktikum oder ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) absolvieren.
Grundsätzlich bleibt der Unterhaltsanspruch während der Orientierungsphase bestehen, d.h. in der Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und den Beginn einer weiterführenden Ausbildung oder eines Studiums (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8.03.2012, 2 WF 174/11). Als Faustformel für die Dauer und keine starre Frist gilt eine Drei-Monatige-Orientierungsphase. Entscheidend ist Einzelfall. Es kommt darauf an, was das Kind in der Orientierungsphase macht.
Bei einem unbezahlten Praktikum besteht nach überwiegender Auffassung keine Pflicht der Eltern zu Zahlung des Ausbildungsunterhalts, wenn es nicht der angemessenen Vorbereitung einer Ausbildung oder eines Studiums dient. Handelt es sich um eine berufsvorbereitende Maßnahme, besteht Anspruch auf Ausbildungsunterhalt.
Beim FSJ ist unseres Erachtens ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt eher zu bejahen. So billigt das OLG Celle (FamRZ 2012, 995) einen solchen Anspruch, da nach dem Gesetz zur Förderung von Jugend-Freiwilligen-Diensten vom 16.05.2008 die am gemeinwohlorientierte Tätigkeit auch das Ziel für die Jugendlichen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln, verfolge. Nach OLG Düsseldorf (Beschluss vom 01.03.2019, 3 WF 114/18) soll das FSJ unter Umständen als eine Orientierungsphase für das Kind zu werten sein, so dass Ausbildungsunterhalt geschuldet wird.
8. Wann kann Ausbildungsunterhalt verwirken?
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann ganz oder teilweise verwirkt sein bei:
- Verletzung von Informationspflichten
- Ausbildungsabbruch nicht mitgeteilt
- Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mitgeteilt
- Kontaktabbruch bei Vorliegen weiterer Umstände
8. Praxistipp vom Rechtsanwalt
Grundsätzlich sind Eltern bis zum Abschluss der Berufsausbildung des Kindes unterhaltspflichtig. Allerdings unterliegt diese Unterhaltsverpflichtung gewissen Grenzen und kann dort enden, wo diese für die Eltern wirtschaftlich nicht mehr angemessen ist. Haben auch Sie das Gefühl, dass Ihr Kind seine Ausbildung oder sein Studium nicht mit Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit verfolgt oder hat Ihr Kind eine Zweitausbildung aufgenommen und tritt an Sie mit einem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt heran? Als Rechtsanwalt und Familienrecht stehen wir Ihnen bei allen Fragen betreffend den Ausbildungsunterhalt zur Seite. Sprechen Sie uns gern an – wir beraten und vertreten Eltern! Wir sind Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in Hannover.