Sanktionen bei Hartz 4 bzw. ALG 2 – Widerspruch & Klage
Wirft das Jobcenter Ihnen eine Pflichtverletzung vor? Möchte das Jobcenter Ihre Leistungen kürzen? Um 30, 60 oder 100 Prozent? Wirft das Jobcenter Ihnen zu Unrecht Pflichtverletzungen vor? Sie wissen wegen Ihrer Hartz 4 Sanktionen nicht, wie Sie über die Runden kommen soll. Als auf Hartz 4 bzw. ALG 2 spezialisierter Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht gebe ich Ihnen mit diesem Beitrag einen Überblick, wann das Jobcenter Ihnen grundsätzlich eine Sanktion erteilen kann, ob ein wichtiger Grund vorliegt, und wie Sie sich als Hartz 4-Empfänger dagegen wehren können.
Pflichtverletzung ist Voraussetzung für Sanktion
Das Jobcenter kann Sie als Hartz 4-Empfänger sanktionieren, wenn sie eine Pflichtverletzung im Sinne des SGB II begehen. Die im SGB II verankerten Sanktionen richten sich an erwerbsfähige Hilfebedürftige. Diese begehen nach dem Gesetz in § 31 SGB II eine Pflichtverletzung, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis
sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Eine Sanktion nach § 31 Abs. 1 a SGB II kann vom Jobcenter nur ausgesprochen werden, wenn Sie als betroffener Hartz 4-Empfänger keinen wichtigen Grund für Ihr Verhalten nachweisen.
Daneben gibt es die sanktionsbewehrten Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 SGB II . Pflichtverletzungen nach § 31 Abatz 2 SGB II sind gegeben, wenn erwerbsfähige Hilfebedürftige:
erwerbsfähige Hilfebedürftige sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen,
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.
Erhalten Sie einen Sanktionsbescheid, so ist stets zu prüfen, ob die zur Last gelegte Pflichtverletzung überhaupt zutreffend ist.
Sanktion von Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II
Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Hartz 4-Empfänger können sich entlasten, indem sie einen wichtigen Grund für das Meldeversäumnis nachweisen.
Wichtiger Grund bei Sanktionen und Meldeversäumnissen bei ALG 2
Nach den Durchführungshinweisen der Agentur für Arbeit gilt für die Beurteilung des wichtigen Grundes gilt: Wichtig sind alle Gründe, die für die leistungsberechtigte Person unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung des individuellen Grundes der leistungsberechtigten Person im Verhältnis zu den Interessen der Allgemeinheit, die die Leistungen an ihn und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG) aus Steuermitteln erbringt, besonderes Gewicht haben. Als wichtige Gründe hatten in der Vergangenheit Bestand:
1-Euro-Job ist nicht zumutbar
1-Euro-Job verstößt gegen § 16 d SGB II nicht entsprach
Beschäftigungsangebot verstößt gegen Mindestlohngesetz
Bewerbungs- und Fahrtkosten können nicht gezahlt werden
Kindererziehung und Betreuung ist nicht gewährleistet
Beschäftigungsangebot ist zu weit weg
Vermittlungsvorschlag nicht erhalten
Arbeitsunfähigkeit
familiären oder persönlichen Gründe (religiöse oder Gewissensgründe) stehen entgegen
Schulbesuch kann einer Beschäftigungsaufnahme entgegenstehen
Die Beweislast für das Vorliegen des wichtigen Grundes trägt der Hartz 4-Empfänger.
Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen nach § 31 a SGB II und wiederholte Pflichtverletzung
Im Sanktionsrecht ordnet das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen abhängig vom Lebensalter der betroffenen Hartz 4- bzw. ALG 2-Empfänger an. Für die über 25-Jährige gilt:
Eine Pflichtverletzung nach § 31: Minderung in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs.
Erste wiederholte Pflichtverletzung: Minderung um 60 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs.
Jeder weitere wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig.
Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.
Für die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gilt:
Erste Pflichtverletzung: Beschränkung auf Bedarfe auf Kosten der Unterkunft und Heizung
Bei wiederholter Pflichtverletzung: ALG 2 entfällt vollständig.
Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ab diesem Zeitpunkt wieder die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen gewähren.
Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Es besteht eine Stufensystem zwischen mehreren Sanktionsbescheiden. Bricht eine 30-Prozent-Sanktion weg, kann die 60-Prozent-Sanktion im Regelfall nicht mehr rechtmäßig sein.
Fehler des Jobcenters in Hartz 4-Sanktionsbescheiden
Wie in allen Bescheiden machen die Jobcenter die vielfältigsten Fehler bei der Sanktionierung von Hartz 4-Bescheiden, so kann ein Sanktionsbescheid fehlerhaft, und damit rechtswidrig sein, wenn:
eine Anhörung gemäß § 24 SGB X nicht erfolgt ist
zwar eine Anhörung erfolgt ist, diese aber nicht mit dem Sanktionsbescheid korrespondiert
der dem Hilfebedürftigen gemachte Vorwurf nicht zutreffend ist
das zur dem Hartz 4-Empfänger zur Last gelegte Fehlverhalten zu ungenau beschrieben ist
das dem Hartz 4-Empfänger zur Last gelegte Fehlverhalten zeitlich nicht eingegrenzt ist
wenn die zugrunde liegende Eingliederungsvereinbarung rechtswidrig ist
bei Nichtbewerben, wenn der Vermittlungsvorschlag keine Rechtsfolgenbelehrung enthält
bei 60%- und 100%-Sanktionen, wenn kein Hinweis auf Möglichkeit, Sachleistungen zu beantragen, erfolgt ist
bei Verletzung der Sachleistungspflicht in BGs mit minderjährigen Kindern
Die Liste der Fehler der Jobcenter in Sanktionsbescheiden lässt sich beliebig fortsetzen, so dass Betroffenen zu raten ist, derartige Bescheide bei uns zur Prüfung vorzulegen.