Ausschluss und Vereinbarung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung

Familienrecht

Ausschluss und Vereinbarung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens regelt das Familiengericht von Amts wegen den Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten. Als notwendige Folgesache kann und muss die Durchführung des Versorgungsausgleichs grundsätzlich von einem Ehegatten beantragt werden. Der Versorgungsausgleich ist bei vielen Scheidungen der werthaltigste Bestandteil. Dennoch ist vielen Ehegatten nicht klar, was der Versorgungsausgleich bedeutet, ob und wann ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs infrage kommt oder ob eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich abgeschlossen werden sollte und ob dies sinnvoll ist. Der Beitrag liefert die wichtigsten Antworten.

1. Was bedeutet Versorgungsausgleich?

Unter den Versorgungsausgleich versteht man den sogenannten Rentenausgleich bei der Scheidung. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Ehegatten im Fall der Scheidung gleich viel Rentenanwartschaften aus der Ehe gehen. Dieser Rentenausgleich bezieht deshalb Anrechte der Ehegatten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus Beamtenversorgungen, betrieblichen Altersvorsorge, Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes, private Altersvorsorgeverträge (private Rentenversicherungen, Kapitallebensversicherungen, bei denen bereits das Wahlrecht dahingehend ausgeübt worden ist, dass eine Rente bezogen werden soll) und berufsständische Altersversorgungen (Versorgungswerke) ein und verteilt die zur Ehezeit erworbenen Anrechte der Ehegatten unter diesen zu gleichen Teilen. Als Ehezeit gilt dabei der Zeitraum vom Beginn des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist, bis zum Ende des Monats vor der Zustellung des Scheidungsantrages.

Hierzu folgendes Beispiel: die Ehegatten haben 23.9.2017 geheiratet. Der Scheidungsantrag ist am 27. November 2020 zugestellt worden. Die die im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen der Ehezeit ist dann von September 2017 bis Oktober 2020.

2. Wann ist der Versorgungsausgleich bei der Scheidung per Gesetz ausgeschlossen?

Grundsätzlich findet bei jeder Scheidung ein Versorgungsausgleich statt. Das Familienrecht sieht jedoch vor, dass in folgenden Fällen ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht stattfinden soll:

  • kein Versorgungsausgleich bei kurzer Ehedauer
  • kein Versorgungsausgleich bei Geringfügigkeit (Bagatellgrenze)
  • Herabsetzung oder Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit

3. Wann ist der Versorgungsausgleich wegen kurzer Ehedauer ausgeschlossen?

Nach § 3 Abs. 3 Versorgungsausgleichsgesetz findet bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt. Die Ehezeit ist dabei wie gehabt die Zeit von dem Beginn des Monats, in dem geheiratet wurde bis zum Monatsende vor der Zustellung des Scheidungsantrages.

In derartigen Fällen kann das Familiengericht den Versorgungsausgleich dennoch auf Antrag eines Ehegatten prüfen. Für einen derartigen Antrag besteht kein Anwaltszwang.

4. Wann ist der Versorgungsausgleich wegen Geringfügigkeit ausgeschlossen?

Der Ausschluss des Versorgungsausgleiches wegen Geringfügigkeit ergibt sich im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens bei dem Familiengericht und kann einzelne oder alle Anrechte betreffen. Nach Paragraf 18 Absatz 1 Versorgungsausgleichsgesetz sollen beiderseitige die Anrechte nicht ausgeglichen werden, wenn ihre Differenz gering ist. Nach Paragraf 18 Abs. 2 Versorgungsausgleichsgesetz soll ein Anrecht mit nur geringem Ausgleichswert nicht ausgeglichen werden. Als gering ist nach Paragraf 18 Abs. 3 Versorgungsausgleichsgesetz das Anrecht oder die Differenz anzusehen, wenn es nach der Ehezeit die Geringfügigkeitsgrenze (Bagatellgrenze) nicht überschreitet. Diese Geringfügigkeitsgrenze wird fortgeschrieben und richtet sich nach der sich aus Paragraf 18 SGB IV ergebenden monatlichen Bezugsgröße.

Die Bezugsgröße beträgt 2020 3.185 Euro monatlich. Daraus folgt die Geringfügigkeit eines fremden Wertes bis zu 31,85 €. Dies entspricht einem Prozent von 3185 €. Ebenso folgt daraus die Geringfügigkeit eines Kapitalwertes bis zu 3.822 €. Dies entspricht 120 % von der monatlichen Bezugsgröße von 3185 €.

Die Bezugsgröße beträgt 2021 3.290 € monatlich. Daraus folgt die Geringfügigkeit eines Rentenwertes bis zu 32,90 €. Das entspricht einem Prozent von 3.290 €. Ebenso folgt daraus die Geringfügigkeit eines Kapitalwertes bis zu 3948 €. Dies entspricht 120 % von der monatlichen Bezugsgröße von 3.290 €.

5. Wann ist der Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit herabgesetzt oder ausgeschlossen?

„Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist vom Gesetzgeber bewusst nur in engen Grenzen vorgesehen worden, die mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der “groben Unbilligkeit” in § 27 VersAusglG umrissen werden. Es muss sich um Umstände mit Ausnahmecharakter handeln, die so schwer wiegen, dass der Halbteilungsgrundsatz als nachrangig zurückzutreten hat. Vorausgesetzt wird, dass die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem mit diesem Rechtsinstitut verfolgten Grundgedanken, eine gleichberechtigte Teilhabe zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehe keine Versorgung hat aufbauen können, eine eigene Alterssicherung zu gewährleisten, in geradezu unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH NJW 1982, 989).

Dies ist der Fall, wenn die hälftige Partizipation an den jeweils erworbenen Versorgungsanwartschaften zu einer Prämierung einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien der gesetzlichen Regelung verstoßen würde (BGH FamRZ 2017, 26). Die Hürde für die Annahme einer groben Unbilligkeit ist hierbei höher anzusetzen als die für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben oder einer Härte im Sinne des unterhaltsrechtlichen Verwirkungstatbestands in § 1579 BGB (BGH NJW 1981, 1733).“ (vgl. OLG Frankfurt, 27.06.2017, Aktenzeichen 1 UF 297/15).

Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit stets eine Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten.

Bei folgenden Fallgruppen ist stets an einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleiches zu denken:

  • lange Trennungszeit, wenn diese jedenfalls keine wechselseitigen Versorgungsleistungen mehr erbracht worden
  • zu früh gestellter Scheidungsantrag
  • persönliches Fehlverhalten eines Ehegatten

Die Rechtsprechung hat einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit in folgenden Fällen verneint:

  • bei einmaliger versuchter gefährlicher Körperverletzung
  • bei unterlassener Altersversorgung bei einem selbstständigen Ehegatten
  • Zuwendung des Ausgleichsverpflichteten Ehegatten zu einem neuen Partner

Die Rechtsprechung hat ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit in folgenden Fällen bejaht:

  • unterschieben eines nicht vom Ehemann stammenden Kindes
  • massiver sexueller Missbrauch der gemeinsamen minderjährigen Töchter
  • langjährige Misshandlungen
  • wiederholte erhebliche Straftaten zum Nachteil des anderen Ehegatten

Die Verletzung von Unterhaltspflichten während der Ehezeit gegenüber dem Ehegatten sowie gegenüber gemeinsamen Kindern kann grundsätzlich einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs begründen. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls.

6. Wie kann der Versorgungsausgleich per Vereinbarung ausgeschlossen werden?

Daneben bestehen nach geltendem Familienrecht folgende Möglichkeiten, den Versorgungsausgleich per Vereinbarung auszuschließen:

  • Abschluss einer notariellen Vereinbarung in Gestalt eines Ehevertrages oder Gestalt einer Scheidungsfolgenvereinbarung
  • Vergleich im Rahmen des Scheidungsverfahrens bzw. im Scheidungstermin

7. Was ist bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit notarieller Vereinbarung zu beachten?

Den Ehegatten stets grundsätzlich frei, die im Versorgungsausgleichsgesetz enthaltene Regelung zum Versorgungsausgleich abzuändern. Eine derartige Abänderung ist denkbar als Ehevertrag oder als Scheidungsfolgenvereinbarung. Von einem Ehevertrag spricht man, wenn die Vereinbarung vor oder während der Ehe getroffen wird. Eine Scheidungsfolgenvereinbarung ist auch ein Ehevertrag, der dann geschlossen wird, wenn klar ist, dass die Ehegatten sich scheiden lassen. Einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag oder Scheidungsfolgenvereinbarung ist folgendes zu beachten:

  • der Ehevertrag oder Scheidungsfolgenvereinbarung müssen zwingend notariell beurkundet sein, fehlt es an der notariellen Beurkundung, kommt eine Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung unter keinen Aspekten in Betracht
  • die notarielle Regelung des Versorgungsausgleichs darf keinen Ehegatten unangemessen benachteiligen und damit zu Sittenwidrigkeit der getroffenen Regelung führen

Die getroffene notarielle Vereinbarung muss einer Inhalts- und Ausübungskontrolle Kontrolle standhalten. Es darf kein Ehegatte unangemessen benachteiligt sein. Deswegen kann es geboten sein, bei einem teilweisen oder vollständigen Ausschlusses Versorgungsausgleichs einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Dies kann beispielsweise durch Übertragung von Barvermögen oder Immobilienvermögen geschehen. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls: problematisch könnte der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs sein, wenn beispielsweise die Ehefrau die Kinder großgezogen und versorgt hat und deshalb keine Rentenanwartschaften erworben hat, während der Ehegatte Vollzeit arbeiten kann.

Problematisch könnte auch der Abschluss einer notariellen Vereinbarung mit einem Ausländer sein, der kein oder kaum Deutsch kann, wenn kein Dolmetscher hinzugezogen ist.

Problematisch ist schließlich auch, wenn sich ein Ehegatte durch seinen Verzicht auf den Versorgungsausgleich bedürftig im Sinne des Sozialhilferechts macht.

Das Familiengericht prüft auf jeden Fall im Rahmen der Scheidung, ob die getroffene Vereinbarung einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhält. In diesem Rahmen nimmt es eine Gesamtschau vor. Kommt das Familiengericht zu dem Ergebnis, dass eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, kann es die Vereinbarung für unzulässig erklären und den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchführen.

8. Wie funktioniert eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich der Vergleich?

Schließlich haben die Ehegatten die Möglichkeit, im Rahmen des Scheidungsverfahrens von der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs abzuweichen und entsprechend im Scheidungstermin bei dem Familiengericht eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich zu treffen. Ein solcher Vergleich ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • beide Ehegatten müssen anwaltlich vertreten sein
  • die getroffene Vereinbarung darf kein Ehegatte unangemessen benachteiligen und damit zu Sittenwidrigkeit führen

für einen derartigen Vergleich zum Versorgungsausgleich müssen beide Parteien anwaltlich vertreten war sein. Früher war es bei dem Familiengerichten gängige Praxis, für eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich einen Fluranwalt heranzuziehen. Unter einem Fluranwalt ist dabei ein Anwalt zu verstehen, der sich in einer anderen Angelegenheit auf dem Flur des Familiengerichtes aufhielt, und der gebeten wurde, zu einer entsprechenden Vereinbarung zum Versorgungsausgleich eine anwaltliche Zustimmung zu geben. Wegen des hohen Haftungsrisikos dürfte das Auffinden eines Fluranwalt heutzutage problematisch sein. In der Kürze der Zeit dürfte es für einen Fluranwalt nicht zu überschauen sein, welche Rechtsfolgen eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich für den vertretenen Ehegatten tatsächlich hat.

Im Übrigen prüft das Familiengericht auch die getroffene Vereinbarung zum Versorgungsausgleich in Hinblick darauf, ob dieser einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhält. Allerdings ist zu beachten, dass das Familiengericht bei der getroffenen Vereinbarung anwesend ist und jederzeit Anregungen geben kann.

Wir halten generell den Abschluss von Vergleichen im Scheidungsverfahren betreffend den Versorgungsausgleich aber auch andere Scheidungsfolgen für eine sehr smarte Konflikt Lösungsmöglichkeit.

9. Fazit vom Rechtsanwalt für Familienrecht und Scheidungsanwalt

Nach unserer Einschätzung als Rechtsanwalt für Familienrecht und Scheidungsanwalt wird der Versorgungsausgleich oft unterschätzt und vielfach auch nicht in vollem Umfang verstanden. Dabei machen die Versorgungen der Ehegatten auf den größten Teil ihres Vermögens aus. Sie sind natürlich auch absolut bedeutsam, da es um die Versorgung im Alter geht. Als Rechtsanwalt für Scheidung stehen wir Ihnen bei allen Fragen zum Versorgungsausgleich und insoweit auch anlässlich Beratung und Gestaltung von Vereinbarung zum Versorgungsausgleich zur Seite. Wir können Sie vor dem Abschluss unwirksamer oder nachteiliger Vereinbarung bewahren und finden maßgeschneiderte Lösungen. Nehmen Sie Kontakt auf – wir helfen Ihnen gerne – Ihr Rechtsanwalt für Familienrecht und Scheidungsanwalt in Hannover!

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