rückforderung sozialleistungen

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Rückforderung von Sozialleistungen – Aufhebung , Erstattung, Festsetzung

Häufig kommt es bei der Gewährung von Sozialleistungen dazu, dass den Leistungsberechtigten zu viel Geld ausgezahlt worden ist. Soweit die zuständige Behörde die sogenannte Überzahlung an den Empfänger entdeckt, wird sie versuchen, die überzahlten Beträge von etwaigen weiter laufend gewährten Leistungen in Abzug zu bringen und einzubehalten. Dieses behördliche Verhalten entspricht oft nicht den gesetzlichen Regelungen: zum einen ist eine Rückforderung nicht in jedem Fall möglich, zum anderen kommt eine Aufrechnung mit laufenden Leistungen nur in eng gesteckten Grenzen in Betracht. Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht bin ich spezialisiert auf solche Verfahren.  Der Beitrag zeigt Ihnen , welche Sozialleistungen das meist betrifft, wann eine Rückforderung von Sozialleistungen möglich ist, unter welchen Voraussetzungen zu erstattende Beträge mit laufenden Sozialleistungen aufgerechnet werden können, und wie sich Betroffene dagegen wehren können.

1. Welche Sozialleistungen werden von den Sozialbehörden zurückgefordert?

In unserer sozialrechtlichen Tätigkeit sind ist die Rangfolge der Sozialleistungen gemessen an der Anzahl der Rückforderungsverfahren absteigend wie folgt:

3. Wann geht die Aufhebung nach § 45 SGB oder nach § 48 SGB X?

Wenn Leistungsberechtigte auf der Grundlage eines Bescheides ( z.B. ALG II -Bescheid nach SGB II, Arbeitslosengeld 1 – Bescheid von der BfA, Bescheid über Leistungen zur Grundsicherung im Alter nach SGB XII, Rentenbescheid von der Deutschen Rentenversicherung) Gelder aus der Sozialkasse erhält, auf die der nach den nach den sozialgesetzlichen Regelungen keinen Anspruch hat, dann ist in dem Bescheid ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt zu sehen.  Ob die Rücknahme derartiger rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakte möglich ist, und wie sich der Betroffene dagegen wehren kann, richtet sich danach, ob der Verwaltungsakt erst im Nachhinein rechtswidrig geworden ist, oder von Anfang an – also bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war.

  1. a) Der Verwaltungsakt ist nachträglich rechtswidrig geworden, § 48 Abs. 1 SGB X

Zunächst wird der Fall dargestellt, dass ein der die Sozialleistungen bewilligende Bescheid nachträglich rechtswidrig geworden ist. Als Beispiel wäre zu nennen, dass einem Hilfebedürftigen Leistungen nach dem SGB II bewilligt werden. Danach nimmt der Hilfebedürftige eine Beschäftigung auf, die bei ihm einen Zufluss von Einkommen im Bewilligungszeitraum erzeugt. Dann gilt § 48 SGB X.  Die Vorschrift lautet:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

  • die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
  • der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
  • nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
  • der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Hier sollte insbesondere geprüft werden, ob tatsächlich eine Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorliegt. Oftmals wird eine solche Änderung vom Sozialleistungsträger ins Blaue hinein behauptet. Dies sollte stets genau geprüft werden. Nicht selten ist auch die Unterstellung von Verletzung von Mitteilungspflichten oder grober Fahrlässigkeit durch den Sozialleistungsträger.  Hier kann zumindest argumentiert werden, dass nur eine Aufhebung der Leistungen für die Zukunft in Frage kommt.

Schließlich ist beachten, dass es im Rahmen des § 48 SGB atypische Fälle gibt, die die Behörden im Rahmen des Aufhebungsverfahrens zur Ausübung von Ermessen zwingen. Bei der Prüfung eines atypischen Falles sollen alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden, die klar vom Regelfall abweichen. Kriterien können sein:

  • Lebensalter des Betroffenen, soziale Verhältnisse, Familienstand,
  • Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit oder Steigerung der Sozialhilfebedürftigkeit,
  • entgangene und nachträglich nicht mehr zu erreichende andere Sozialleistungen,
  • Weiterleitung der zu Unrecht erhaltenen Leistung an Dritte eigenen finanziellen Nutzen
  • Mitverschulden des Sozialleistungsträgers
  • besondere Aufwendungen wegen Behinderung
  • Unterstützung anderer bedürftiger Personen.
  1. b) Der Verwaltungsakt ist von Anfang rechtswidrig gewesen, § 45 SGB X

Wenn der Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig war, dann richtet sich die Rückforderung nach § 45 SGB X. Als Beispiel wäre zu nennen, dass einem Hilfebedürftigen Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe bewilligt werden, obwohl er in seinem Antrag angegeben hat, einen 400,00 € – Minijob zu haben. In diesem Fall sagt § 45 SGB X.

„ Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.“

Grundsätzlich ist damit eine Rückforderung von Sozialleistungen dann ausgeschlossen, wenn der Betroffene das Geld ausgegeben hat. Da selbst der größte Sparfuchs kaum Rücklagen aus Sozialleistungen bilden können wird, scheitert eine Rückforderung oft aus.

Ausschluss des Vertrauensschutzes im Rahmen des § 45 Absatz 2 S. 3 SGB X

Ausnahmen von der Möglichkeit, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, sieht das Gesetz in § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X vor. Die Vorschrift hat nachstehenden Wortlaut:

„Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

  • er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
  • der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
  • er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.“

Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz in diesem Sinn wäre anzunehmen, wenn der Leistungsberechtigte bei Stellung eines Erstantrages oder eines Folgeantrages Einkommen und/oder Vermögen verschweigt. Nur einfache Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Leistungsberechtigte eine Änderung der Einkommens – und Vermögensverhältnisse nicht rechtzeitig mitteilt. Es gilt demnach grundsätzlich: hat der Leistungsberechtigte die Überzahlung verursacht, ist eine Rückforderung möglich. Hat dagegen die Behörde die Überzahlung verursacht, scheidet eine Rückforderung aus.

4. Wie ist der Ablauf des Rückforderungsverfahrens?

Das Rückforderungsverfahren vollzieht sich in mehreren Schritten. Diese sind nachstehend chronologisch aufgeführt:

  • die rückfordernde Behörde muss den Betroffenen gemäß § 24 Abs. 1 SGB X anhören, und zwar sowohl zu der Aufhebung als auch zu der Erstattung, ggf. auch zum Vertrauensschutz
  • dann muss der alte rechtswidrige begünstigende Bescheid aufgehoben werden nach § 45 oder 48 SGB X, die Rechtsgrundlage der Aufhebung muss genannt sein, weil der Bescheid sonst nicht prüfbar ist
  • dann muss ein Erstattungsbescheid gemäß § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X zu erlassen. In diesem soll gemäß § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X auch die Höhe der Erstattung festgesetzt werden. In dem Rückforderungsbescheid ist aufzuschlüsseln, welche Leistungen zurückgefordert werden

5. Welche Fristen gelten für die Aufhebung von Verwaltungsakten nach §§ 45, 48 SGB X?

Zu beachten sind 2 wesentliche Fristen:

  • Gemäß § 45 Abs. 3 S.2 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.
  • Diese Frist kann allerdings durch die Vorschrift des § 45 Abs. 4 SGB X drastisch verkürzt werden. Nach dieser Vorschrift muss die Behörde den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres aufheben, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, die eine Rücknahme des Bescheides rechtfertigen. Nach Ablauf dieser Frist kommt eine Rückforderung nicht mehr in Betracht.

6. Kann die Behörde mit laufenden Geldleistungen aufrechnen?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Behörden die zu erstattenden Beträge einfach von laufenden Leistungen in Abzug bringen. Im § 51 SGB I ist aber ein grundsätzliches Aufrechnungsverbot enthalten.  Die Vorschrift hat nachstehenden Wortlaut:

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Die Vorschrift verweist in ihrem Absatz 1 zunächst auf § 54 Abs. 2 und 4 SGB I. Der wiederum bestimmt in Absatz 4, dass auf Sozialleistungen wie Arbeitseinkommen zu pfänden ist. Es gelten also die Pfändungsfreigrenzen, die auch bei Arbeitseinkommen zu beachten sind, womit faktisch in dem Großteil der Fälle eine Pfändung und entsprechend eine Einbehaltung unterbleiben muss, weil die Sozialleistungen diese Größenordnung nicht erreichen. § 51 Abs. 2 SGB I verbietet die Aufrechnung für den Fall, dass diese nachweislich zur Hilfebedürftigkeit des Betroffenen im Sinne des SGB II oder SGB XII führt. Sowohl im SGB II als auch im SGB XII sind allerdings Ausnahmen von dem Aufrechnungsverbot enthalten. Bei Leistungsbezug nach SGB II kann bis zu einer Höhe von 30 Prozent aufgerechnet werden, wenn es um Erstattungsansprüche oder Schadensersatzansprüche handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben erzeugt hat. Dies folgt aus § 43 SGB II. Im SGB XII hat die weiter gehende Vorschrift des 26 SGB X zunächst den gleichen Inhalt wie die Vorschrift des § 43 SGB II. Sie lässt darüber hinaus aber auch eine Aufrechnung für den Fall des pflichtwidrigen Unterlassens der Mitteilung geänderter Einkommens – und/oder Vermögensverhältnisse und für den Fall, das zuvor ein Darlehen zur Deckung eines eigentlich von der Regelleistung umfassten Bedarfs (z.B. für Stromschulden) gewährt wurde, zu.

7. Widerspruch, Klage und Eilantrag gegen Aufhebungs – und Erstattungsbescheide

Gegen Aufhebungs – und Erstattungsbescheide, die rechtswidrige Rückforderungen oder Aufrechnungen beinhalten, sollte binnen Monatsfrist Widerspruch eingelegt werden. Der Sozialleistungsträger entscheidet dann erneut – hält sie den Rückforderungsbescheid für falsch, so hilft sie ab – der Widerspruch hatte dann Erfolg. Andernfalls erlässt sie einen Widerspruchsbescheid. Gegen diesen ist dann die Klage zum Sozialgericht zulässig. Die Rechtsmittel in Rückforderungsangelegenheiten haben in der Regel aufschiebende Wirkung, so dass für die Dauer des Verfahrens die aufgehobenen und zu erstattenden Beträge nicht fällig sind, und dementsprechend nicht aufgerechnet, oder sonstwie beigetrieben werden können

8. Mandant werden in Ihrer Rückforderungsangelegenheit

Sie möchten mich als Rechtsanwalt für Ihr Widerspruchsverfahren oder Klageverfahren beauftragen wegen Rückforderung von Sozialleistungen wie ALG 1, Rente, ALG 2, Krankengeld, Sozialhilfe und andere beauftragen? Für die Prüfung der Erfolgsaussichten und   Bearbeitung Ihrer Rückforderungsangelegenheit sind folgende Unterlagen erforderlich

  • Rückforderungsbescheid
  • Leistungsbescheide, die durch den Rückforderungsbescheid aufgehoben worden sind
  • Anhörungsbogen gemäß § 24 Abs.1 SGB X, soweit erfolgt, ansonsten Mitteilung, dass eine Anhörung nicht erfolgt ist
  • Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid
  • Widerspruchsbescheid

Sie haben Fragen zum Thema Rückforderung, Aufhebung und Erstattung von Sozialleistungen?  Rufen Sie an, schicken Sie eine Email oder nutzen Sie das Kontaktformular – Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht in Hannover!

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