Stadt Osnabrück erkennt erhöhten Selbstbehalt beim Volljährigenunterhalt an
Geschockt übersandte der 85-jährige Mandant die Rechtswahrungsanzeige der Stadt Osnabrück, die sich mit dem Anliegen an den Mandanten wandte, Anspruch auf Volljährigenunterhalt aus übergeleitetem Recht für den 47-jährigen Sohn geltend zu machen. Dies traf den Mandanten hart, weil er nach seiner Scheidung für seine beiden Kinder bis zu deren 28. Lebensjahr Unterhalt zahlte. Konnten wir dem Mann als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht helfen?
Selbstbehalt beim Volljährigenunterhalt
Unterhaltsrechtliche Selbstbehalte ergeben sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Hinsichtlich Kindesunterhalt heißt es dort:
„Der notwendige Eigenbedarf = Selbstbehalt gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern, -gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 880,00 €, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1.080,00 €.
Hierin sind bis 380 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt soll erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Der angemessene Eigenbedarf, insbesondere gegenüber anderen volljährigen Kindern, beträgt in der Regel mindestens monatlich 1.300EUR. Darin ist eine Warmmiete bis 480 EUR enthalten.“ Bei 1300,00 € Selbstbehalt wäre eine ordentliche Zahlungspflicht au den Mandanten zugekommen. Das Familienrecht musste noch eine bessere Lösung bieten.
Erhöhung und Absenkung von Selbstbehalten im Unterhaltsrechts
Dem auf Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt fällt bei derartigen Fallgestaltungen ein, dass im Unterhaltsrecht die Absenkung und Erhöhung von unterhaltsrechtlichen Selbstbehalten diskutiert und auch durchgeführt wird. Eine Absenkung des Selbstbehaltes kann geschehen bei
- Zusammenleben mit neuem Partner
- Mietfreiem oder günstigen Wohnen
- Schließung einer neuen Ehe
Eine Erhöhung des Selbstbehaltes wird unter Familienrechtlern vorgeschlagen, wenn
- Höhere Wohnkosten entstehen
- Beim Kindesunterhalt, wenn der betreuende Elternteil ein extrem höheres Einkommen hat
Zu beachten ist, dass die in Düsseldorfer Tabelle genannten Selbstbehalte nur Anhaltspunkte liefern, die Gewährung der Selbstbehalte im Streitfall aber letztlich dem Familiengericht obliegt.
Erhöhter Selbstbehalt in besonderen Fällen
Die weitere Recherche als Rechtsanwalt für Familienrecht führte zu der Erkenntnis, dass der Selbstbehalt beim Volljährigenunterhalt auch schon an den BGH herangetragen worden war, der dazu ausgeführt hat: „Verliert das erwachsene Kind zu einem späteren Zeitpunkt wieder seine wirtschaftliche Selbständigkeit, wie hier durch den Eintritt einer Behinderung, findet die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen in der Regel erst statt, wenn dieser sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter befindet, seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkommensniveau angepasst hat oder wie hier sogar bereits Rente bezieht und sich dann einer Unterhaltsforderung ausgesetzt sieht, mit der er nach dem regelmäßigen Ablauf nicht mehr zu rechnen brauchte. In tatsächlicher Hinsicht würde die Notwendigkeit, nicht unerhebliche Abstriche von dem derzeitigen Lebensstandard hinzunehmen, auf eine übermäßige Belastung des Unterhaltspflichtigen hinauslaufen. (…)
Mit Rücksicht darauf ist es gerechtfertigt, dass der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbständigkeit wieder verloren hat, mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leitlinien insoweit als Mindestbetrag vorgesehen ist, angesetzt und gegebenenfalls noch dadurch erhöht wird, dass dem Unterhaltspflichtigen ein etwa hälftiger Anteil seines für den Elternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zusätzlich verbleibt.“ (BGH, Urteil vom 18.01.2012 – XII ZR 15/10). Für den BGH war entscheidend, dass der Unterhaltsschuldner im Rentenalter war, seinerseits einen Anspruch auf Elternunterhalt gegen den eigenen Sohnemann nicht durchsetzen können.
Stadt Osnabrück erklärt Unterhaltsverzicht
Für den Mandanten haben wir gegenüber der Stadt Osnabrück ausgeführt, dass ihm ein erhöhter Selbstbehalt zusteht. Die Stadt Osnabrück ist dem gefolgt, und hat innerhalb der gesetzten Frist die Erklärung abgegeben, dass auf Unterhalt verzichtet wird. Für den Mandanten konnte das Schreckgespenst der Unterhaltsforderung schnell wieder beseitigt werden.