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Das Wechselmodell und seine Auswirkungen auf den Unterhalt im Familienrecht

Das Wechselmodell und seine Auswirkungen auf den Unterhalt im Familienrecht

Das Wechselmodell ist ein modernes Betreuungsmodell, welches der Gleichberechtigung von Mama und Papa gerecht wird. Das Wechselmodell beinhaltet, dass das Kind jeweils zu gleichen Teilen bei Mama und Papa lebt. Familiengerichte haben sich in der Vergangenheit bislang schwergetan, dass Wechselmodell als gewünschtes Betreuungsmodell zu akzeptieren, mitzutragen oder gar anzuordnen. In jüngerer Zeit lässt sich jedoch feststellen, dass die Familiengerichte dem Wechselmodell aufgeschlossener gegenüberstehen. Erfahren Sie nachstehend alles wichtige aus Sicht des Rechtsanwaltes für Familienrecht zum Wechselmodell.

1. Welche Umgangsmodelle gibt es neben dem Wechselmodell im Familienrecht?

Das Familienrecht kennt im Wesentlichen 3 Betreuungsmodelle, auf die sich Eltern im Fall ihrer Trennung einigen können:

  • Residenzmodell: das Residenzmodell ist derzeit gesetzlich im Familienrecht verankert. Das Residenzmodell sieht vor, dass das Kind überwiegend durch ein Elternteil betreut wird und bei diesen seinen Wohnsitz hat. Der andere Elternteil erfüllt seine elterlichen Pflichten durch die Leistung von Barunterhalt und gegebenenfalls durch einen 14-tägigen Wochenende Umgang sowie Ferien- und Feiertagsumgang. Die konkrete Ausgestaltung des Residenzmodell ist abhängig vom Alter des Kindes und von den individuellen Verhältnissen der Kindeseltern.
  • Erweiterter Umgang: von erweitertem Umgang spricht man, wenn im Grunde ein Residenzmodell vorliegt, der nicht betreuende Elternteil aber über einen das übliche Maß hinausgehenden Umgang mit dem Kind lebt. Erweiterter Umgang ist beispielsweise gegeben, wenn das Kind 2/3 bei dem betreuenden Elternteil ist, und 1/3 bei dem barunterhaltspflichtigen Elternteil. Die konkrete Ausgestaltung eines erweiterten Umgangs ist einzelfallabhängig.
  • Wechselmodell: die Betreuungsanteile der Kindeseltern sind gleich: das Kind verbringt also 50 % seiner Zeit bei dem ein Elternteil und 50 % seiner Zeit bei dem anderen Elternteil. Der absolute Grundfall des Wechselmodells ist dabei der wochenweise Wechsel des Kindes zwischen Mama und Papa.

2. Was ist ein echtes/ unechtes Wechselmodell?

Das Wechselmodell bezeichnet seinen Worten nach die abwechselnde Betreuung des Kindes durch die getrenntlebenden Eltern. Ein echtes Wechselmodell liegt nur dann vor, wenn die Betreuung des Kindes tatsächlich durch beide Elternteile zu nahezu gleichen Anteilen erfolgt.

Ein unechtes Wechselmodell ist dagegen gegeben, wenn das Kind von den Eltern zwar abwechselnd betreut wird, die Betreuungsanteile eines Elternteils jedoch wesentlich überwiegen.

Ein echtes Wechselmodell liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn die Betreuungsanteile eines Elternteils um 10 % abweichen. Es gibt auch viel strengere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. Zum Teil wird bereits ein echtes Wechselmodell verneint, wenn ein Elternteil 52,5 % betreut, der andere Elternteil 47,5 %. Die Unterscheidung im Familienrecht zwischen echten und unechten Wechselmodell hat Bedeutung für Unterhaltsverpflichtung bezüglich Betreuungsunterhalt und Kindesunterhalt.

3. Was sind die Voraussetzungen für das Wechselmodell?

Wer für sich das Wechselmodell in Anspruch nehmen möchte, der sollte nachstehende Voraussetzungen erfüllen können:

  • Eltern müssen in etwa die gleiche Erziehungskompetenz aufweisen
  • Eltern müssen ein Kinderzimmer vorhalten
  • Eltern müssen beruflich in der Lage sein, dass Wechselmodell zu leben
  • das Wechselmodell entspricht dem Kindeswohl
  • das Wechselmodell entspricht dem Kindeswillen

Hier und da wird auch ein geringes Konfliktniveau der Eltern für erforderlich gehalten. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Ein Wechselmodell wird demgemäß schwierig werden, wenn ein Elternteil vor der Trennung weit höhere Erziehungsanteile hatte.

Nachteilig kann sich ebenso auswirken, wenn ein Elternteil kein Kinderzimmer für den Nachwuchs hat. Jedenfalls für Kinder ab 3 Jahren sollte ein eigenes Zimmer bereitstehen. Ebenso problematisch ist, wenn ein Elternteil beruflich beispielsweise aufgrund von Vollzeittätigkeit das Wechselmodell nicht leben kann. Muss dieser Elternteil dann auf ergänzende Fremdbetreuung zurückgreifen, dann wird es mit dem Wechselmodell schwierig. Umgekehrt kommt also ein Wechselmodell immer dann besonders infrage, wenn dadurch bislang praktizierte Betreuungsmodell vor der Trennungszeit nur fortgesetzt wird.

4. Wie kann man als Elternteil das Wechselmodell erhalten?

Wer das Wechselmodell leben möchte, der muss dies vorbereiten. In der Zeit des Zusammenlebens mit dem anderen Elternteil geschieht dies dadurch, dass die Betreuungsanteile der Elternteile gleich hochgehalten werden. Ist die Trennung da, muss derjenige Elternteil, der das Wechselmodell für sich beansprucht, wie folgt vorgehen:

  • Gespräch mit dem anderen Elternteil suchen, sofern erfolglos
  • den anderen Elternteil deswegen um Teilnahme an einer Familienberatung bitten, sofern erfolglos
  • das Jugendamt um Vermittlung bitten, sofern erfolglos
  • Antrag mit Rechtsanwalt an das Familiengericht stellen

Das Jugendamt sollte Ihnen ausdrücklich mitgeteilt haben, dass es Ihnen in Ihrer Angelegenheit nicht weiterhelfen kann. Erst dann sollten Sie sich an einen Rechtsanwalt wenden. Dieser sollte erst dann einen Antrag an das Familiengericht stellen. Insgesamt zahlt sich eine Beharrlichkeit in Bezug auf das Wechselmodell unseres Erachtens aus.

5. Wie wirkt sich das Wechselmodell auf den Unterhalt aus?

6. Wie sieht die Unterhaltsberechnung im Wechselmodell an einem Beispiel aus?

Das unechte Wechselmodell hat im Prinzip keine Auswirkung auf den Unterhalt. Dies gilt sowohl für den Kindesunterhalt als auch für den Betreuungsunterhalt. Es wird allenfalls diskutiert, ob beim Kindesunterhalt eine Abstufung um eine Stufe innerhalb der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen werden kann.

Das echte Wechselmodell mit gleichgroßen Betreuungsanteilen beider Elternteile hat dagegen große Auswirkungen auf den Unterhalt. Dies betrifft den Ehegattenunterhalt, den Betreuungsunterhalt des nichtehelichen Elternteils und den Kindesunterhalt. Wenn ein paritätisches Wechselmodell – also ein solches, in der die Betreuungsanteile beider Elternteile gleich sind-wirklich gelebt wird, dann führt das Wechselmodell dazu, dass ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in Form von Betreuungsunterhalt ebenso entfällt wie der Anspruch auf Betreuungsunterhalt des nichtehelichen Elternteils. Dies ist der Fall, weil es bei dem Wechselmodell keinen betreuenden Elternteil gibt.

Bei ungleichen Einkommensverhältnissen kommt aber als Ehegattenunterhalt weiter Aufstockungsunterhalt oder möglicherweise ein anderer Unterhaltstatbestand wegen nachehelichen Unterhalt in Betracht.

Beim Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2017 zu Aktenzeichen XII ZB 565/15 entschieden, wie der Unterhaltsanspruch des im Wechselmodell lebenden Kindes zu berechnen und durchzusetzen ist. Danach gilt grundsätzlich für Kindesunterhalt im Wechselmodell:

  • beide Eltern haben für den Barunterhalt des Kindes einzustehen
  • der anhand der Düsseldorfer Tabelle zu ermittelnde Unterhaltsbedarf des Kindes errechnet sich aus den zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile
  • der Unterhaltsbedarf umfasst auch die infolge des Wechselmodell zu entstehenden Mehrkosten (zum Beispiel Fahrtkosten, Kinderzimmer)
  • die um berufsbedingte Aufwendungen bereinigte Nettoeinkünfte der Elternteile sind um ihre jeweiligen Selbstbehalte zu mindern
  • die Nettoeinkünfte der Eltern sind zueinander in Verhältnis zu setzen
  • der Unterhaltsbedarf des Kindes ist von den Eltern in dem Verhältnis zu tragen, indem ihre Nettoeinkünfte zueinanderstehen
  • zum Schluss erfolgt die Kindergeldanrechnung: nach BGH-Rechtsprechung soll das Kindergeld bei demjenigen Elternteil, der es bezieht, dazu gerechnet werden. Bei dem anderen Elternteil soll das Kindergeld abgezogen werden.
  • dann ergibt sich der zu zahlende Barunterhalt aus der Differenz von dem Unterhaltsanteil des besserverdienenden Elternteils und dem hälftigen Unterhaltsbedarf des Kindes

Der Elternteil, der beim echten Wechselmodell Barunterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil gerichtlich geltend machen will, muss einen Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsschlägers stellen oder einen Antrag entweder einen Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder einen Antrag auf Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB stellen, sodass er dann allein über die Geltendmachung von Kindesunterhalt im Wechselmodell entscheiden kann.

Die Unterhaltsberechnung im Wechselmodell möchten wir Ihnen als Rechtsanwalt im Familienrecht anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen: Mama und Papa leben getrennt und praktizieren einen wochenweisen Wechsel des 14-jährigen Sohnes zwischen ihren Haushalten. Es wird also das echte Wechselmodell gelebt. Papa verdient 3000 € netto, Mama verdient 2000 € netto. Es besteht einmonatlicher Mehrbedarf für Kinderzimmer und Fahrtkosten in Höhe von 300 €. Mama bezieht das Kindergeld. Die konkrete Berechnung des Unterhalts im Wechselmodell gestaltet sich wie folgt:

  • das Nettoeinkommen von Papa in Höhe von 3000 € und das Nettoeinkommen von Mama in Höhe von 2000 € führt zu einem Gesamteinkommen in Höhe von 5000 €
  • das Gesamteinkommen in Höhe von 5000 € führt zu einem Unterhaltsbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle 2020 in Höhe von 756 € (9. Einkommensstufe/3. Altersgruppe)
  • der so ermittelte Unterhaltsbedarf ist um den monatlichen Mehrbedarf für Kinderzimmer und Fahrtkosten in Höhe von 300 € zu erhöhen, sodass sich ein gesamter Unterhaltsbedarf in Höhe von 1056 € ergibt
  • die jeweiligen Einkommen der Eltern sind jeweils um den Selbstbehalt zu mindern: der aktuelle Selbstbehalt nach Düsseldorfer Tabelle beträgt von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern 1160 €
  • bei Papa liegt damit ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 3000 € netto minus Selbstbehalt in Höhe von 1160 €, folglich 1840 € vor.
  • Bei Mama liegt ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 2000 € netto minus Selbstbehalt in Höhe von 1160 € €, folglich 840 € vor.
  • Die zusammengerechneten bereinigten Einkünfte betragen danach 1840 € + 840 €, folglich insgesamt 2680 €. Der Anteil von Papa an dem Gesamteinkommen beträgt ca. 68,65 %. Der Anteil von Mama an dem Gesamteinkommen beträgt 31,35 %.
  • Papa muss 68,65 % des Unterhaltsbedarfs tragen, Mama muss 31,35 % des Unterhaltsbedarfs tragen
  • bei einem Unterhaltsbedarf von 1056 € ergibt Papas Anteil 68,65 % mal 1056 €, folglich 724,94 €, Mamas Anteil beträgt 31,35 % mal 1056 €, folglich 331,05 €.
  • Da Mama das Kindergeld in Höhe von 204 € erhält, ist dieses hälftig auf ihren Anteil drauf zu rechnen: der Anteil von Mama beträgt damit 331,05 € + 102 €, folglich insgesamt 433,05 €.
  • Bei Papa ist nach der zitierten BGH-Rechtsprechung das Kindergeld hälftig abzuziehen: der Anteil von Papa beträgt damit 724,94 € -102 €, folglich 622,94 €
  • der Gesamtbedarf des Sohnes liegt bei 1056 €. Die Hälfte des Gesamtbedarfs beträgt damit 1056 €/2, folglich 523 €. Dem Papa kommt aber ein Anteil an diesem Bedarf in Höhe von 724,94 € zu. Papa muss die Differenz von dem von ihm zu deckenden Unterhaltsbedarf in und der Hälfte des Gesamtbedarfes des Sohnes an die Mama bezahlen. Gerechnet wird also 724,94 € -523,00 € = 201,94 €
  • Papa muss also 202,00 € im echten Wechselmodell an Mama für Kindesunterhalt bezahlen

7. Kann das Familiengericht das Wechselmodell gegen den Elternwillen anordnen?

Nach der Rechtsbrechung des BGH ist die Anordnung eines Wechselmodells auch gegen den Willen eines Elternteils ist möglich. Dabei erlaubt der BGH dies sowohl im Rahmen einer Regelung des Umgangs als auch im Rahmen einer Entscheidung über die elterliche Sorge. (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15). Wie üblich im Kindschaftsrecht sind nach der Rechtsprechung des BGH bei der Prüfung der Anordnung des Wechselmodells anerkannte Kriterien des Kindeswohl zu berücksichtigen. Der BGH nennt als solche zu berücksichtigende Aspekte des Kindeswohls:

  • die Erziehungseignung der Eltern
  • die Bindungen des Kindes
  • die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität
  • die Beachtung des Kindeswillens etabliert

Nicht zwingend für erforderlich hält der Bundesgerichtshof dagegen eine Einigkeit der Eltern hinsichtlich der Einrichtung des Wechselmodells. Der BGH begründet dies damit, dass der Wille des Elternteils und das Kindeswohl nicht notwendig übereinstimmen und dass keine allein Entscheidungsbefugnis eines Elternteils dahingehend gibt, ob eine dem Kindeswohl entsprechende gerichtliche Anordnung ergehen kann.

8. Fazit

Das Wechselmodell ist im Familienrecht im Vordringen befindlich. Nur das echte Wechselmodell wirkt sich auf den Kindesunterhalt und auf dem Betreuungsunterhalt aus. Im Wechselmodell ist der Kindesunterhalt von Mama und Papa anteilig entsprechend ihrem jeweiligen Einkommen zu tragen. Die Berechnung des Kindesunterhalts im Wechselmodell ist durch den BGH bereits entschieden.

Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht stehen wir Ihnen bei allen Fragen betreffend Wechselmodell, Umgang und Sorgerecht zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an – wir sind ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht in Hannover.

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